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Pressemitteilung des Netzwerk diskriminierungsfreies RLP

Hearing zur Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsarbeit in Rheinland-Pfalz
Parteien sind zur engen Zusammenarbeit mit dem Netzwerk diskriminierungsfreies RLP bereit
Die Weiterentwicklung der Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungspolitik in Rheinland-Pfalz wird in der nächsten Legislaturperiode ein wichtiges Thema für SPD, CDU, FDP, Grüne und DIE LINKE sein. Das ist das zentrale Ergebnis eines vom Netzwerk diskriminierungsfreies RLP am 2. November 2020 durchgeführten Online-Hearings zur Landtagswahl 2021, an dem über 50 Expert*innen der Antidiskriminierungsarbeit teilgenommen haben.

Als Gesprächspartner*innen zur Verfügung standen Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD), Christian Baldauf (CDU), Philipp Fernis (FDP), Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) und Melanie Wery-Sims (DIE LINKE). Eröffnet wurde das Hearing mit einem Impulsvortrag von Doris Liebscher, der Leiterin der neu geschaffenen Ombudsstelle gegen Diskriminierung des Landes Berlin. Sie berichtete u.a. zu den Eckpunkten und ersten Erfahrungen mit dem dort im Sommer dieses Jahres in Kraft getreten Landesantidiskriminierungsgesetz.

Die Vertreter*innen der Parteien wurden im Abschluss an den Impuls zunächst dazu befragt, ob sie sich in der nächsten Legislaturperiode für ein Landesgleichstellungs-/Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene einsetzen werden. Das Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz hält ein solches Gesetz für dringend erforderlich: „In Bereichen, die in der Zuständigkeit der Länder liegen, gewährleistet das seit 2006 auf Bundesebene geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) keinen umfassenden Schutz vor Diskriminierung. Insbesondere im Bildungsbereich und im Bereich des polizeilichen Handelns bestehen Regelungslücken, die nur durch ein Landesgesetz geschlossen werden können“, erklärt Joachim Schulte, Mitglied der Koordinierungsgruppe des Netzwerks.

Alle Parteivertreter*innen sahen in der nächsten Legislaturperiode diesbezüglich Handlungsbedarf. Es bestand Einvernehmen, dass der Diskriminierungsschutz über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz des Bundes derzeit Regelungslücken z.B. im Hinblick auf die geschützten „Merkmale“ offen lässt. Alle Parteivertreter*innen sprachen sich dafür aus, diese Lücken durch eine evaluationsgestützte Reform des Gesetzes so weit als möglich zu schließen. Gleichzeitig bestand Einigkeit, dass verbleibende Schutzlücken z.B. in Handlungsfeldern, die in der Zuständigkeit des Landes liegen, in der nächsten Legislaturperiode über ein Landesgesetz geschlossen werden sollen. Konkret benannt wurden die Bereiche der öffentlichen Bildung und öffentlichen Handelns von Landesbehörden und Landeseinrichtungen.

Zwischen den Parteivertreter*innen bestand zudem Konsens über die von einem solchen Gesetz ausgehende wichtige Signalwirkung für das Recht auf Gleichbehandlung sowie über die Notwendigkeit, es durch Maßnahmen zu seiner Bewerbung und Bekanntmachung zu flankieren. Diskussionsbedarf wurde im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung eines Landesgesetzes deutlich: Während Einigkeit bestand, dass in einem wirkungsstarken Landesantidiskriminierungsgesetz eine Beweislasterleichterung für die Betroffenen und die Möglichkeit der rechtlichen Begleitung durch Antidiskriminierungsverbände vorgesehen sein sollte, gingen die Auffassungen im Hinblick auf die Länge der Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen auseinander.

Zweiter Schwerpunkt der Befragung waren Maßnahmen zur Sensibilisierung gegen Diskriminierung sowie der Ausbau und die Qualifizierung flächendeckender Beratungsstrukturen für Menschen, die in Rheinland-Pfalz von Diskriminierung betroffen sind: „Bisher fehlt es an Strukturen zur Bekanntmachung der Instrumente gegen Diskriminierung und an Anlaufstellen für Betroffene, die sich gegen Diskriminierung wehren wollen. Sie brauchen überall im Land kompetente Beratungs- und Begleitungsangebote. Sowohl im Hinblick auf die Dichte der Beratungsstruktur als auch im Hinblick auf die Qualifikation von Berater*innen besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Stephan Heym, ebenfalls Mitglied der Koordinierungsgruppe des Netzwerk.

Parteiübergreifend betonten die Vertreter*innen der Parteien die große Bedeutung der Bildung im Bereich der Prävention und Sensibilisierung für das Recht auf Gleichbehandlung und Freiheit von Diskriminierung. Sie sprachen sich dafür aus, in der nächsten Legislaturperiode entsprechende Maßnahmen zu fördern und weiterzuentwickeln. Dabei wiesen sie sowohl der Antidiskriminierungsstelle des Landes als auch dem Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz wichtige Rollen zu. Einigkeit bestand zudem dahingehend, dass Qualität und Erreichbarkeit von beratenden Strukturen ebenso entscheidend für einen wirkungsvollen Schutz vor Diskriminierung sind wie das Vertrauen der Betroffenen in konkrete Ansprechpersonen vor Ort. Die bestehenden Strukturansätze in diesem Sinne auszubauen und weiterzuentwickeln, sei ein wichtiges Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode.

Ebenfalls um Stellungnahme gebeten wurden die Parteivertreter*innen zur inhaltlichen und strukturellen Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Landesregierung und Zivilgesellschaft im Bereich der Gleichbehandlungs- und Antidiskriminierungsarbeit: „Die enge Verzahnung zivilgesellschaftlicher und staatlicher Einrichtungen, insbesondere die enge Zusammenarbeit mit der Landesantidiskriminierungsstelle in Rheinland-Pfalz, hat Vorbildcharakter und sollte in der nächsten Legislaturperiode fortgesetzt und ausgeweitet werden“, sagt Torsten Jäger, das dritte Mitglied der Koordinierungsgruppe des Netzwerks. „Hierzu bedarf es insbesondere auch einer Professionalisierung der bisher ehrenamtlichen Struktur des Netzwerks, bei der wir auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.“

Parteiübergreifend wurde die Relevanz der Kooperation von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Strukturen in der Gleichbehandlungsarbeit betont und die Qualität der bisherigen Arbeit sowie die diesbezügliche Bedeutung des Netzwerks diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz gewürdigt. Einer Professionalisierung des Netzwerks, das seit seiner Gründung vor 10 Jahren ehrenamtlich und als loser Verbund arbeitet, standen alle Vertreter*innen der Parteien positiv gegenüber. Eine Ausweitung der Ressourcen sei erforderlich, um die Zusammenarbeit mit der Landesantidiskriminierungsstelle und den Beauftragten der Landesregierung intensivieren, die Informations- und Bildungsarbeit für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung ausbauen und neue Angebote der Beratung und Begleitung von Menschen mit Diskriminierungserfahrungen entwickeln zu können. Ein strukturell gefestigtes Netzwerk sei wichtig im Hinblick auf die gemeinsamen Ziele der Prävention, der außergerichtlichen Bearbeitung von Diskriminierungserfahrungen und der kompetenten Beratung und Begleitung von Betroffenen bei der Geltendmachung ihrer Rechte.

„Wir freuen uns über die große Wertschätzung, die der Arbeit des Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz von allen Parteivertreter*innen entgegengebracht wurde. Wir sind dankbar, dass die demokratischen Parteien trotz punktuell unterschiedlicher Vorstellungen über den konkreten Weg dorthin bereit sind, sich in der kommenden Legislaturperiode intensiv für Gleichbehandlung und die Weiterentwicklung des Diskriminierungsschutzes in Rheinland-Pfalz einzusetzen. Die parteiübergreifende Bereitschaft, hierbei eng mit dem Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz zu kooperieren und seine Professionalisierung zu unterstützen, ist uns eine Verpflichtung für die Zukunft. Das Netzwerk steht zur engen Zusammenarbeit mit der nächsten Landesregierung und den demokratischen Parteien im nächsten rheinland-pfälzischen Landtag jederzeit bereit“, so Joachim Schulte abschließend.

Hintergrund: Das Netzwerk diskriminierungsfreies Rheinland-Pfalz ist ein Zusammenschluss von rheinland-pfälzischen Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Initiativen, die sich als Interessensvertretung von Betroffenengruppen in der Antidiskriminierungsarbeit engagieren. Neben dem Initiativausschuss gehören ihm die Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration RLP (AGARP), der Humanistische Verband Deutschlands-Landesverband RLP/Saarland, die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter RLP, der Landesfrauenbeirat RLP, der Landesjugendring RLP, die Landesseniorenvertretung RLP, der Landesverband jüdischer Gemeinden RLP, das Netzwerk Gleichstellung und Selbstbestimmung in RLP, QueerNet RLP, der Verband Deutscher Sinti und Roma VDSR – Landesverband RLP und das Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (ZsL Mainz) an.

Pressemitteilung „Ein Landes-Antidiskriminierungsgesetz für Rheinland-Pfalz“, Link öffnet sich in neuem Fenster!